Schon am Tag nach der Transplantation kamen dann doch die Nebenwirkungen der Chemotherapie. Und nun waren die Nebenwirkungen heftig. Morgens war Insa meist spät – gegen 10 Uhr – fertig mit dem Programm der Schwestern und der Untersuchung des Arztes. Ich kam erst danach. An einen geregelten Tagesablauf war nicht mehr zu denken. Übergeben, Schmerzen und Müdigkeit richten sich nicht nach einem Zeitplan. Falls ich mal nicht bei Insa war, schrieb sie mir eine Nachricht und ich machte mich sofort auf den Weg zu ihr. Dazu musste ich sie ein wenig ermuntern, aber dann klappte es ganz gut, so dass ich zwischendurch mal Essen gehen konnte oder mich kurz in der Wohnung erholen konnte.
Zweimal musste Insa das Zimmer verlassen, weil sie zu Untersuchen gebracht wurde, die nicht im Zimmer gemacht werden konnte. Was für eine Aufregung! Ich ging in Kittel, mit Mundschutz und Handschuhen mit. Insa musste sich auch einen Kittel anziehen und bekam einen Mundschutz und Handschuhe.
Natürlich kamen die Untersuchungen immer dann, wenn ich eigentlich Insa verlassen wollte.
Ich habe schon in einem vorherigen Blogeintrag angedeutet, dass Gespräche und Untersuchungen gefühlt immer dann kommen, wenn ich eigentlich gerade gar keine Energie dafür habe.
Wie soll ich beschreiben, was das für mich bedeutet. Ich versuche die Situation zu beschreiben: Ich sitze bei Insa und wir beschäftigen uns. Meist wissen wir schon, dass eine Untersuchen gemacht werden soll oder ein Arztgespräch stattfinden wird, aber nicht genau wann.
Also überlege ich meist schon, welche Fragen ich habe oder bereite Insa auf die Untersuchung vor – was wird etwa gemacht, usw. Nach einer Stunde fühle ich mich gut vorbereitet und denke, nun könnte es losgehen. Ich bin konzentriert und motiviert. Leider findet der Termin dann meistens nicht statt. Das weiß ich nach jahrelanger Erfahrung schon und versuche nun, einfach so weiter zu machen, als hätten wir keinen Termin. Aber ein wenig in ‚Hab-Acht‘-Stellung bin ich dann immer.
Dauert es länger als gedacht, schlägt die Stimmung ungewollt um. Oft bekomme ich Hunger und würde gerne zum Essen gehen, aber der Termin könnte ja genau dann stattfinden. Also bleibe ich. Die Konzentration lässt nach, die Motivation sinkt. Manchmal kommt es auch vor, dass ich mich letztlich entschließe, nun zu gehen, weil wir ja auch nicht alles mit uns machen lassen müssen, auch wenn ich vollstes Verständnis für Ärzte habe, die auch nicht mehr tun können, als eine Sache nach der anderen abzuarbeiten.
In diesem Moment beginnt die Untersuchung bzw. das Arztgespräch. Was soll ich machen? Also versuchen volle Konzentration zu bekommen und die Motivation wieder hochzufahren.
Nach solchen Tagen bin ich völlig erledigt! Es kostet mich unendlich viel Kraft mich diesen äußeren Bedingungen anzupassen.
Aber nun zurück zu unserer Woche – bzw. etwa 10 Tagen. Insa konnte nichts essen und hatte nur ein bis zwei Stunden am Tag, an denen sie sich einigermaßen fühlte. Ich war einfach nur bei ihr, streichelte sie und las ihr auch mal etwas vor. Und ich war so froh, dass ich bei ihr war!
In dieser Phase hätte ich sie nie alleine lassen können. Ich blieb lange, wenn sie es brauchte und kam auch mal früh, weil es ihr nicht gut ging.
Da ich damit gerechnet hatte, dass es ihr in dieser Zeit schlecht gehen würde, war ich nicht erschrocken. Ich hoffte, dass es ihr irgendwann besser gehen würde und die Zellen anwachsen.
Und dann auf einmal nach 10 Tagen waren 500 Leukozyten da. Es ging ihr noch nicht gut, aber alleine, dass Zellen angewachsen waren, gab mir die Hoffnung, dass es nun ganz langsam bergauf gehen würde. Über die ersten Zellen habe ich mich richtig gefreut. Es war ein ganz besonderer Tag, obwohl es Insa noch nicht wirklich gut ging.
Übrigens schlafe ich seit wir in Ulm sind wieder gut. Die schlaflosen Nächte, die ich in der Entscheidungsphase so oft hatte, sind wie weg. Auch als es Insa so schlecht ging, habe ich gut geschlafen. Ich glaube es liegt daran, dass ich hier die Verantwortung an die Ärzte und Schwestern abgeben kann. Ich weiß, dass sie immer gut versorgt ist. Wenn ich gebraucht werde, werde ich gerufen. Ein gutes Gefühl!